Eine Antwort auf einen Diskussionsbeitrag über den ganzheitlichen Projektansatz – zusammengefasst enthielt er zwei Thesen:
1. Für erfolgreiche Projekte ist ein ganzheitlicher (holistischer) Ansatz wichtig, sprich Einbeziehung aller Ebenen der Mensch-System-Organisations-Beziehungen einschließlich individueller und systemischer Aspekte.
2. Die zwei wichtigsten Gründe für scheiternde Projekte sind Fehlentscheidungen erstens aufgrund nicht beherrschbarer (oder unberücksichtigter) Komplexität sowie zweitens wegen nicht kompatibler politischer oder persönlichen Interessen.
Die folgende Antwort habe ich daraufhin verfasst:
… das Thema ist schon spannend, auch am Samstag abend, nachdem der Tag mit einer Junior-Prüfung für die kleinen Reiterlein sehr schön verlief und allen viel Spass gemacht hat. 😉 Das Leben in verschiedenen Welten macht genau dieses Leben schön.
Um es vorwegzunehmen, als am besten und übereinstimmendsten empfinde ich die beiden letzten Gedankengänge zum Scheitern von Projekten.
Einerseits das Thema Entscheidungsfreude oder Entscheidungsfähigkeit – nicht nur als Problem unbeherrschbarer Komplexität, sondern auch als Ausdruck politischer Interessen, die nicht immer entlang des Projektzieles laufen. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Hierzu gilt es, den Projektmanagern Werkzeuge und Methoden an die Hand zu geben, Entscheidungsstärke und -sicherheit an die Hand zu geben – denn gegen Existenz von Komplexität und Politischen Interessen vorzugehen erscheint angesichts meiner praktischen Erfahrungen als sinnlos.
Andererseits liegt nach meiner Erfahrung ein großes Problem darin, die von Ihnen beschriebenen Ebenen und deren komplexen Abhängigkeiten permanent in die Projektbearbeitung einzubeziehen. Ich formuliere mal etwas platt und oberflächlich: Bis ich alle Ebenen, Mikro- und Makro, System- oder Individuensicht, alle Hard- und Softfacts analysiert habe und in ihren ganzheitlichen Zusammenhängen und Abhängigkeiten fertig dargestellt habe, ist meist das ganze Projekt schlichtweg schon zu Ende.
Das ist natürlich sehr vereinfacht gesagt. Aus dem theoretischen Blickwinkel teile ich Ihre Ansicht vollständig, im praktischen Umsetzen ist es m.E. jedoch wichtig, siehe vorheriger Abschnitt, praktikable Abstraktionen, Vereinfachungen und Beschränkungen abzuleiten, um eine überschaubare Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Dafür gibt es mehrere Ursachen:
Erstens der Zeitfaktor, um alle Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren für die ganzheitliche Betrachtung ermitteln und bewerten zu können. Ich hatte mehrere Projekte, in denen es erst sehr spät gelang, Lügen, Verschleierungen und Vergessenes zu ermitteln. Wenn ich aufgrund dieser Falschinformationen entschieden hätte, wären die Projekte gescheitert.
Zweitens die (Un)Fähigkeit der Projektbeteiligten, was heißt, dass in den seltensten Fällen alle Entscheidungsträger der holistischen Herangehensweis folgen können – einmal aus ihrer Rolle heraus, manchmal ganz simpel aus intellektuellen Mängeln. Daher nützen mir die ganzheitlichen Betrachtungen in der Entscheidungsfindung nicht immer.
Drittens ist der Einfluss der meisten ganzheitlichen Ebenenbetrachtungen auf die letztendliche Entscheidungsfindung gering – bzw. im Moment der Entscheidungsnotwendigkeit weiß ich gar nicht, welchen Einfluß manch einer der Faktoren überhaupt ausübt. Sprich, ich werde zu meiner Entscheidung immer nur die mir in diesem Moment bekannten wichtigsten Kriterien heranziehen, um selbige zu treffen, sicher mit dem Wissen möglicher Fehlbarkeit.
Dh., ich bin Verfechter eines ganzheitlichen PM-Ansatzes im Sinne der pragmatischen Reduktion auf entscheidungsrelevante Kriterien – und Projektmanager müssen die Fähigkeit erlernen, diese Abstraktion durchführen zu können, auch wenn dies mitunter heißt, Bauchentscheidungen akzeptieren und ins Projektleben einbauen zu lernen.
Soweit meine streitbaren Auslassungen für heute zu dem Thema – zustimmende Verneinung oder ablehnende Bejahung.
Viel Spaß beim Auseinanderpflücken wünsche ich – und ich bin gespannt auf das Ergebnis.